Sonntag, 9. Dezember 2007

Rechtsdurchsetzung im Reich der Mitte

"Recht haben ist nicht unbedingt Recht bekommen", diese Weisheit ist nicht nur Juristen bekannt und selbst in einem so hochentwickelten Justizsystem wie in Deutschland zutreffend. In China ist die Lage noch etwas ungünstiger was die Rechtsdurchsetzung angeht. So ist einerseits das Justizwesen auf dem langen Weg zu einem "Rechtsstaat" zwar vorangekommen, aber noch lange nicht am Ziel. (Nach Art. 5 der Verfassung der VR China errichtet die Volksrepublik einen "sozialistischen Rechtsstaat (社会主义法治国家),hier ein übersichtlicher Bericht von Björn Ahl zu dem Thema). Hier soll aber nicht von der Verwirklichung individueller Rechte gegenüber dem Staat die Rede sein, oder der Kontrolle durch die Gerichte (dazu in einem späteren Post).

Vielmehr beschäftigt mich die Frage auch der Rechtsdurchsetzung im Verhältnis Bürger-Bürger, also zivilrechtliche Streitigkeiten in China schon seit längerem. Dabei ist zum einen interessant, ob die chinesische (asiatische) Mentalität weniger "streitsüchtig ist, wie die westliche.


Zum anderen ist ein Urteil zu seinen Gunsten für einen Kläger nicht viel Wert wenn er diesen Titel nicht durchsetzen kann. Dieses Problem hat mich schon im Rahmen meiner Abschlussarbeit gerade für Ansprüche von Ausländischen Unternehmen in China interessiert. Die Antwort darauf war nicht eindeutig: Einvernehmlich wurden dem Gerichtssystem in China Fortschritte bescheinigt; die Ausbildung der Richter verbessert sich in der Tat täglich und auch die Gerichte werden allmählich unabhängiger von politischer Einflussnahme und selbstbewusster in der Anwendung von Gesetz und Recht und nicht politischer Opportunität. Andererseits gibt es genügend misslungener Versuche, häufig Verschwindet das Unternehmen nach einem Prozess einfach oder die lokale Durchsetzung ist so zeit- und kostenaufwändig, dass davon Abstand genommen wird.

Ein älteren Bericht "Enforcement of Civil Judgments: Harder than Reaching the Sky" der 2004 in der guten China Law and Governance Review (noch kostenfrei online verfügbar, nach zwei Jahren Pause wird sie fortgeführt) erschienen ist, stellt die Situation anhand chinesischer Untersuchungen fundiert dar. Die zum Teil hilflos anmutende Situation ausländischer Investoren wird in den meisten der "Erfolgreich in China - in 15 Minuten -Büchern" dargestellt. Anschaulich ist dabei die Beschreibung in "Mr. China" von Tim Clissold (bei Amazon), nicht das schlechteste der vorgenannten Kategorie.

Da kommt man doch als ausländischer Investor auf die Idee, Ansprüche lieber in rechtssicheren Ländern durchzusetzen, wie zum Beispiel Deutschland. Immerhin ist Deutschalnd Rang 15 was die Durchsetzung von Verträgen angeht im neuen "Doing Business" Ranking der Weltbank, hier. China ist aber interessanterweise auch schon auf Platz 20! Zumal immer mehr chinesische Konzerne in Deutschland investieren (nicht immer zur Freude der deutschen (Lokal-)Politiker) ist dies für diesen Fall eine immer bessere Option.

Gerichtsurteile lassen sich aber international nicht so leicht übertragen, also habe ich zwar einen Titel, muss die Vollstreckung aber erst noch erreichen wenn der Schuldner unwillig ist. Vorraussetzung ist regelmäßig die "Gegenseitigkeit" der Anerkennung von Gerichtsurteilen. Dass damit einer anfangen musss (klingt ja logisch) hat sich das Kammergericht Berlin gedacht und dies in einem kürzlich ergangenen Urteil nebenbei festgestellt. Dieses in Heft 3, 2007 der Zeitschrift für chinesisches Recht (www.zchinr.de) besprochene Urteil (abgedruckt in SchiedsVZ, 2007, 100; mit Anmerkungen Neelmeier) sorgte für Aufsehen, allerdings vor allem weil das Gericht nicht sehr sorgfältig vorgegangen war, was die Beurteilung der chinesischen Rechtspraxis angeht. Jedenfalls könnten sich von einem solchen Urteilsspruch interessante Implikationen für die Durchsetzung von festgestellten Ansprüchen ergeben, vor allem wenn zunehmend chinesische Unternehmen in Deutschland Vermögensgüter haben.

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